Bald geht die zweite Staffel los und mit ein Grund dafür war das Gespräch mit Christo Foerster. Hier kommt die Wiederholung seiner Folge. Hört bis zum Ende und noch weiter. Denn als schon die Outro-Musik lief, ist mir noch was eingefallen und wir haben noch ein paar Minuten weiter gesprochen… Das war die Basis für die zweite Staffel.

Hier auch noch einmal den vollen Beitrag zum Nachlesen und Nachsehen.
Die neue Staffel kommt ab Mitte August, bis dahin, viel Spaß beim Nachhören!

Wie erleben wir heute unseren Alltag und was können wir tun, um ihn abwechslungsreicher zu gestalten? Mikroabenteuer, sagt Christo Foerster. Was das ist und warum es für Mikroabenteuer keine Ausreden gibt, erzählt er in diesem Podcast.
Vorsicht: absolute Inspirationsgefahr!

Was war noch mal ein Abenteuer?

Was macht man, wenn man in Hamburg wohnt und spontan am nächsten Morgen einen Freund in Berlin treffen möchte? Genau, man fährt hin. Mit dem Fahrrad. 320km. Über Nacht.

So hat es für Christo Foerster begonnen. Eine ganze Nacht radfahren. Entlang dunkler Seen in die Pedale treten, sich durch finstere Wälder hindurch kämpfen und hinaus über weite Felder rollen. So beschreibt Christo seine Fahrt. Wie er so erzählt, klingt das tatsächlich wie ein kleines Abenteuer. Aber er ist doch nur Fahrrad gefahren?

Das Wort “Abenteuer” hat in unserer Gesellschaft einen sehnsuchtsvollen und gleichzeitig völlig abgenutzten Klang bekommen. Abenteuer, das ist die Expedition im brasilianischen Urwald, nicht aber das Wandern entlang der mecklemburgischen Seenplatte. Warum eigentlich nicht? Denn essentiell macht man ja dasselbe: Gehen. Ist es wirklich die Ferne und das Fremde, die über das Abenteuer bestimmen?

Für Christo eine klare Sache: Nein. Ein Abenteuer findet für ihn am Rande der Komfortzone statt. Nicht am Rande der Zivilisation. Vielmehr sei es die Ungewissheit, die aus einem Spaziergang ein Abenteuer machen kann. Wer nicht wisse wo man abends ankommt, wo man schlafen soll und vielleicht sogar was man essen wird, der tausche den einfachen Spaziergang gegen ein Abenteuer ein.

Wer jetzt denkt, klar, sowas kann man einmal im Jahr machen – mal draußen zelten, vielleicht mit Freunden klettern gehen oder Weinwandern an der Mosel – der täuscht. Unsere Komfortzone können wir auch unter der Woche, am Abend, am Wochenende und direkt vor der Haustüre verlassen. 5-9 (five to nine) Abenteuer nennt Christo das.

Kleine Änderungen führen zu mikro Abenteuern

Wir sitzen in Christos kleinem Podcaststudio in Ottensen, nur wenige Minuten von der Elbe entfernt. Die mit weichem Filzstoff bezogenen Akustikpanels und der dunkle Holztisch strahlen eine gemütliche, nordische Wärme aus.

“Wenn ich dir jetzt dein Handy und dein Geld abnehme und sage, wir treffen uns in zwei Tagen in Bremen, dann wärst du direkt im Abenteuer.” Mein Kopfkino schaltet sich ein.

Wie komme ich dorthin?
Wo schlafe ich?
Und vor allem: Wie schlafe ich?

Das sind die existenziellen Fragen, die ich mir in diesem kleinen Gedankenexperiment unmittelbar stelle. Und ja, ich bekomme sofort Lust darauf.

Es sind die kleinen Dinge, verstehe ich, die unseren Alltag so sicher und bequem machen. Entfernen wir diese, fühlen wir uns exponiert, mit dem Blick ins Ungewisse.

Das Konzept Mikroabenteuer

Eigentlich ist es ganz einfach: Nach der Arbeit den Bus bis zur Endstation nehmen, ein Stück in die Natur gehen, im Wald in der Hängematte übernachten und am Morgen wieder zur Arbeit fahren. Ein Mikroabenteuer von 5 Uhr abends bis 9 Uhr morgens.

Christo beschreibt Mikroabenteuer als kleine, abgeschlossene Abenteuer, die man in maximal 72 Stunden erleben kann. Für ihn gibt es neben der Zeit noch drei weitere Kriterien, die für ein solches Erlebnis zutreffen müssen: Draußen übernachten, nur öffentliche Verkehrsmittel nutzen und in der Natur keine Spuren hinterlassen (#leavenotrace).

Im gleichen Atemzug sagt er aber auch, dass seine Definition nicht allgemeingültig ist. Jeder und jede ist anders und so gelten für jeden Menschen seine oder ihre eigenen Kriterien. Die erwähnte Ungewissheit sei das verbindende Element.

Von Kindern lernen

Während Christo erzählt, wird mir schmerzhaft bewusst, wie viel ungenutzte Abenteuerlust in mir steckt und dass ich diese Abenteuerlust früher einfach ausgelebt habe.

Meine Gedanken schweifen in das Jahr 2013. Um uns auf eine große Kanutour über den kanadischen Yukon vorzubereiten, hatten wir im Vorfeld eine fünftägige Kanutour über die Lahn geplant. Und die stellte uns im Rückblick vor größere Herausforderungen als die spätere Zeit in Kanada. Die Lahn war teilweise noch gefroren, wir mussten uns als Eisbrecher zu den Schleusen vorarbeiten. Alle Campingplätze waren geschlossen. Wir durften die Zeltplätze zwar nutzen, doch ohne Toiletten, Feuer und Schutz vor den Elementen war es anstrengend und mindestens so einsam wie kurz vor Alaska. Eins von vielen Abenteuern vor unserer Haustür. Damals hatten wir das fast jedes Wochenende.

Das vorläufige Ende unserer regelmäßigen, kleinen Abenteuer ist auf die Geburt unseres ersten Kindes zu datieren. Plötzlich ging nichts mehr, ein Wochenende raus zu kommen schien kaum realistisch. Doch wie Christo so von den Reisen mit seinen Kindern erzählt, fasse ich mir an die eigene Nase und denke, nicht die Kinder sind das Problem, es ist das eigene Mindset.

“Lass die Kinder den Weg bestimmen und wenn ihr draußen schlaft, ist es auch nicht wichtig, ob ihr 2 oder 20 Kilometer weit kommt”, höre ich Christo sagen, während mein Kopf sich schon wieder in Gedanken verliert.

Im vergangenen Jahr haben wir uns ein neues Familienzelt gekauft. Bis jetzt liegt es ungenutzt im Keller. Der Regen war schuld, denke ich, und höre mich gleichzeitig sagen, dass Wetter ja nun keine Rolle spielen solle. Man könne sich schließlich regensicher anziehen. Schon wieder habe ich mich ertappt.

Traumahftes Wetter auf der Lahn (2013), aber der Weg zur ersten Schleuse war vollständig mit einer dünnen Eisschicht belegt.
Wir waren das erste Boot auf Wasser im gesamten Jahr laut dem Kanuverleih
Wenn die Sonne schien, das schönste auf Erden. Einfach mal treiben lassen.

Raus und machen

Zum Ende des Interviews fühlt es sich plötzlich richtig an über meine Pläne für den Podcast zu sprechen. Ich möchte eine Interviewreise auf einem Wanderweg wie dem Jakobsweg machen. Um mich inspirieren zu lassen von den Geschichten meiner Mitreisenden. Wie Christo so ist, hat er direkt ein paar Fragen für mich, die einer weiteren seiner Regeln folgen: Nicht totdenken. Einfach machen.

Wann fängst du an?
Wo gehst du hin?
Was ist dein Ziel?

Er ist überzeugt: Wenn du weißt was du machst, wird es wahr. Wenn man es zerdenkt und drauf rumdenkt, ist es für die Tonne. Ich lasse mich drauf ein und plane mit. Tatsächlich fühlt es sich direkt wahrhaftig an, als ob ich schon Monate lang in der Planung wäre.

Nach unserem Gespräch, auf dem Weg rüber zu unserer Shootinglocation an der Elbe, habe ich Zeit meinen Gedanken endlich freien Lauf zu lassen. Das Gespräch war einfach zu führen, Christo ist ein toller Redner. Es war interessant und sehr einfach zu folgen. Dennoch hat es mich mitgenommen, beinahe geschafft. Denn ich musste mir eingestehen, ich selbst bin es, der zwischen mir und dem Abenteuer steht.

Wir spazieren am Strand entlang und ich entspanne. Die Wellen beruhigen mich. Der Wind pfeift uns um die Ohren, wie damals an der Lahn, als uns an einem Abend ein Unwetter überraschte.

“Dort hinten, auf der anderen Seite der Elbe, wo dieses kleine rote Ding steht, dort habe ich eine sternklare Nacht mit Blick auf den Hamburger Hafen verbracht. Ich habe einfach meine Hängematte aufgehangen, ein kleines Essen auf dem Kocher gebrutzelt und dem bunten Treiben des Hafens zugesehen. Kostenpunkt 3,30€ für die Fähre und eine unvergessliche Erfahrung.”

“Ja”, denke ich. “So wird es gemacht. Nächstes Wochenende gehen wir mit den Kindern raus und machen.”

Danke, Christo.

Shownotes

Christos Website
Auf der Website findet ihr alle Informationen zu Christo, seiner Arbeit und seinen Büchern.

Frei Raus Podcast
Christos eigenes Podcast über Inspiration und Abenteuer

Kapitelmarken

01:54 Vorstellung
04:19 Junglefit / Wie man da hinkommt, wo man ist
05:25 Was ist ein Mikroabenteuer?
06:29 Wo beginnt Abenteuer und wo hört Mikro auf?
10:12 Wie erklärst du Ungewissheit jemandem, der noch nie viel gereist ist?
14:25 Wenn wir Eltern werden, geht uns der Bewegungsdran verloren. Was meinst du damit genau?
17:16 Du schreibst: Nicht du nimmst deine Kinder mit zum Abenteuer, sie nehmen dich mit. Wie meinst du das?
20:18 Wie motivierst du deine Kinder die Motivation hoch zu halten, wenn ihr wandern geht?
24:51 Wie hat es angefangen mit Mikroabenteuern für dich?
29:35 Muss man seinen Körper kaputt machen für ein Mikroabenteuer?
32:41 Wie funktioniert das Konzept der Leitsterne?
40:10 Die Top 7 Antworten warum ich gerade kein Mikroabenteuer machen kann. No 1: Keine Zeit
44:07 Punkt 2: Der erste Schritt ist so schwer
47:14 Wie war es für dich von deiner großen Reise zurück zu kehren?
50:56 Punkt 3: Das Wetter ist schlecht
52:51 Punkt 4: Ich habe keine gute Ausrüstung
54:21 Beutel: Thema Essen unterwegs
57:54 Wie ernährst du dich auf Mikroabenteuern?
01:00:28 Punkt 5: Ich trau mich nicht
01:03:37 Punkt 7: Keine Idee wohin (Punkt 6 haben wir zwischendrin abgefrühstückt)
01:05:18 Abenteuerplanung
01:11:17 Vorläufiges Ende
01:12:27 viel schoenes dabei Zukunftsplanung Extended…

Kommentieren abgeschaltet